Friday, December 30, 2011

vitesse


Man hätt es nicht dürfen

Man hätt es nicht dürfen,
man hätt es nicht sollen,
und man hat es
dennoch gewollt …
Und es war so schön,
wie’s nie gewesen,
hätt man es dürfen,
hätt man’s gesollt.

Cäsar Flaischlen (1864-1920)

hingabe

moment triste

the taste of milk and honey

Von hier aus

Meine Brusthaare habe ich angezündet,
daß ich schreiben kann wie ein richtiger Mann.
In der Spüle das Geschirr der vergangenen Jahre,
die Löcher in der Unterhose mitten im Schritt.
Von hier aus sehe ich den Hafen, dein Schiff legt ab,
die leere Flasche Milch auf dem Küchentisch,
den Einkaufszettel daneben, deine wenigen Zeilen
zum Abschied auf der Rückseite. Die Brusthaare brennen
so herrlich herunter, ich brauche diesen Schmerz
als deine letzte Wohltat und ergreife den Bleistift
wie früher die Keule. Jetzt den Abwasch, schreibe ich,
und reiße die Balkontür auf, die Fäuste geballt
vor Freude, als ich ihn unten zerscheppern höre.
Einen Schluck noch aus der leeren Milchflasche,
dann bin ich über dich hinweg.


Stephan Turowski (*1972)

all by myself III






a moment of beauty

all by myself II



ergebnis

all by myself I




irden

zweifel

Ungewißheit

In dieser hellen Finsternis,
auf welcher wir auf Erden stecken,
wird ein Vernünftiger gar leicht entdecken,
daß alles Wissen ungewiß.
Die Ungewißheit geht sogar so weit,
daß man,
mit Recht und Zuverläßigkeit,
daß alles ungewiß, gewiß kaum sagen kann.

Barthold Hinrich Brockes (1680-1747)

ein tropfen vom glück

ein tropfen vom glück, nur das gefühl, der impuls des augenblicks. kein wer und kein warum. bin ich es selbst, ist es der von dem nur dieser unscharfe moment bleibt? kein gesicht und kein wort. erinnerung, immer wieder hervorgekramt aus dem müll der monate. erinnerung? zukunft kann es sein; zukunft schon heute abend, später, nachher.
ich nehme ihn mit diesen moment. trage ihn als meinen schatz, den leichten. der sanfte dufthauch.
lass los. komm trink nen schluck kaffee und mach dich auf in das nächste jahr. die feuchte wirst du auch noch im november spüren.


in diesem moment

alles in dir

Alles in Dir

In Dir, o Mensch, ist alles:
In Dir ist der Schlaf und das Wache:
In Dir ist die Zeit.
Und ohne Dich ist keine Zeit.
In Dir ist die Zeit
Und die Fülle der Zeit:
Der qualmende Dampfer,
Die rollende Bahn,
Der eiserne Lärm
Und das Schweigen des Domes.
Der Stein und der Mörtel:
Das Haus und die Stadt.
In Dir ist die Fülle
Des zeitlichen Werkes.
In Dir, o Mensch, ist alles:
Die mordende Hand
Und das Künstler-Gehirn, –
Das ruchlose, stinkende Wort
Und das schwellende, schwebende Lied.
Die Liebe um Liebe:
Die Liebe der männlichen Stärke
Zu weiblicher Weichheit.
Und trübe verzehrende Liebe
Der Gleichen zu Gleichem.
Ist Beides in Dir:
Der Gott und das Böse.
In Dir, o Mensch, ist Alles:
Das trinkende Ohr
Und der Antworten speiende Mund.
Der nehmende Mund
Und der scheidende Darm –
Der bohrende Keim
Und der schwellende Schoß:
Der aufsaugende Anfang,
Das ausbrechende Sein.
Ist Beides in Dir:
Der schäumende Anfang,
Das reifende Ende,
Das Ende,
Das wieder nur Anfang,
Ist Alles, o Alles in Dir!

Gerrit Engelke (1890-1918)

prayer

Das Tugend-ersprießliche Unglück

Der blaue Himmel gibt nicht fruchtbar-sanfften
Regen.
Es treuffet keinen Thau der strahlende Mittag.
Der schöne Demant auch zu nehren nicht vermag.
man muß / will man zum Port / das Wasser ja
bewegen.
Die Traid-bekleidten Berg / nit Gold und Silber
hegen.
So kan die Tugend auch nit blühen sonder Plag.
in gutem Glück sie grob ohn’ allen Glanz da lag /
in Müh und Arbeit wolt der Höchst den Segen legen.
im sauren Meer / und nicht im süssen wachs
Palast /
die theuren Perlein seyn. Also / in vollen Freuden
wird keine Himmels Zier / kein Tugend / nicht
gefasst:
Ihr Balsam-Geist riecht nur im Schmerz-geritzten
Leiden.
Die Sonn müst / solt ein Land sie stets bescheinen /
stehn.
wann keine Nohtnacht wär / würd kein Lust-Sonn
aufgehn.

Catharina Regina von Greiffenberg (1633-1694)

301211

Graue Kühle, heute Nacht Regen und Sturm, die Oleander sind umgefallen. Unlustig ins Büro geschleppt. Ein Jahr ist vorüber. Schönes Jahr: 1.660 Zuschauer, Canal du Midi, Paris, Wien, viele Konzerte, zuletzt viele Texte geschrieben. Aber keine Zeit für viele Dinge....