Sunday, March 6, 2011

die welt im blick

Poeten müssen verliebet seyn.
1.
Sprecht mich nicht weiter an
Um ein verliebtes Lied /
Dann ich bin ausgethan
Wo Lust und Liebe blüht /
Das Gras ist abgemeyht /
Die Rosen sind vergangen /
Der Winter führt das Leid
Und hat sich angefangen.
2.
Ich fühle keine Lust
Die mich zu Versen treibt /
Weil meine kalte Brust
Unangefochten bleibt /
Das harte Silber fleust
Nur bey der grossen Hitze /
Und der Poeten Geist
Wird nur im Lieben nütze.
3.
Wie kan ich itzt betrübt
Und wieder frölich seyn /
In dem mir nichts beliebt
Von Anmuth oder Pein /
Soll mein erfrornes Hertz
Von Glut und Flammen singen.
Und soll der kalte Schertz
Die spröde Feder zwingen.

Ach nein die Aloe /
Der Zucker und Zibeth /
Macht weder wol noch weh /
Wann der Geschmack vergeht /
Man muß die Eitelkeit
Der Liebe noch ertragen /
Will man von Freud und Leid
Gereimte Reime sagen.

Der ist fürwar nicht klug /
Der ohn ein Seitenspiel /
Durch einen Selbstbetrug /
Verschwiegen tantzen will /
Und so wird mein Gedicht
Ein schlechtes Unheil fühlen /
Wo die Begierden nicht
Die Sarabande spielen.
6.
Geh zarte Poesie /
Du bleibst mir unbewust /
Geh meine süsse Müh /
Itzt meine saure Lust /
Ich schreibe was ich kan /
Ihr aber meine Brüder /
Sprecht mich nicht weiter an 
Um Schertz und Liebes-Lieder.


Christian Weise (1642-1708)

No comments:

Post a Comment